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The
Sheik
Eveleigh Nash & Grayson, 1919
Deutsche Übersetzung:
Der
Scheich
Weltbild, 1998; ISBN: 3896045474
Kategorie: Romantik & Liebe/Historisch/ Orient/ Nordafrika
Zeit: Beginn 20. Jahrhundert |
Die Engländerin
Diana Mayo ist erst einundzwanzig, aber mit allem Eigensinn
ausgestattet, den ihre Herkunft, ihr Vermögen und ein gleichgültiger
Bruder ermöglicht haben. So läßt sie sich allen Warnungen und
schockierten Gemütern zum Trotz nicht nehmen, nur von einem
einheimischen Führer und dessen Leuten begleitet eine Reise in die Wüste
zu machen. Sie selbst ist auch die einzige, die nichts auf ihre
vielgepriesene Schönheit gibt und sich mehr als verkappter Junge
sieht, der mit seinen Reit- und Schießkünsten allein auf sich
aufpassen kann. So ist sie mehr als überrascht und in ihrem Stolz
getroffen, als sie in der Wüste von einer Gruppe Araber überfallen
und entführt wird. Scheich Achmed Ben Hassan bringt Diana in sein
Lager und hält sie dort als seine Geliebte fest. Nach Monaten der
Gegenwehr und erfolglosen Fluchtversuchen kehrt sich Dianas anfänglicher
Haß gegen den unnachgiebigen Scheich aber doch ins Gegenteil um.
Achmed allerdings zeigt nicht die kleinste Erwiderung ihrer Gefühle.
Die Ankunft von Achmeds altem Freund Raoul de Saint Hubert und der
Angriff seines Erzfeindes bringen schließlich eine Wendung in Dianas
festgefahrene Lage.
Edith
Maude Hulls Roman "Der Scheich" wurde 1919 veröffentlicht
und scheint eine geeignete Wahl, um ein so frühes Werk der
"Liebesromanliteratur" mit aktuelleren Beispielen dieses
Genres zu vergleichen. Wie sehr unterscheidet es sich von fast neunzig
Jahre jüngeren Nachfolgern? Nun - erstaunlich wenig, wie sich bei der
Lektüre von "Der Scheich" feststellen läßt: am ehesten
vielleicht durch das völlige Fehlen jener Szenen, die sich mit mehr
Intimität beschäftigen als dem Austausch von Küssen. Dennoch wußte
der damalige Leser wie es der heutige Leser weiß, was nach dem
Abblenden zwischen Achmed und Diana passiert. Mehr explizite Details
sind da überhaupt nicht nötig, was ein Verdienst von Hulls Sprache,
Textfluß und Handlungsaufbau ist. Das alles ist aber durchaus auch
noch bei so mancher modernen Liebesromanautorin (z.B. Lynn
Kurland) zu finden... Das Thema Held und Heldin steht auf einem
anderen Blatt: Achmed ist -mit modernen Worten beschrieben- ein
typischer Alpha-Mann, ein Macho. Scheinbar gefühllos hat er keine
Scheu, sich rücksichtslos zu nehmen, was er begehrt. Damit ist er ein
Produkt von anno Neunzehnhundert, aber auch das eines fremden
Kulturkreises und dennoch ein Typ Held, der auch in modernen Romanen
zeitgenössischer Autoren vorkommt und offenbar auch auf so manche
moderne Leserin eine große Anziehung ausübt. Ebenso Diana, die von
Hull als selbstbewußte, eigenständige Frau eingeführt wird, aber
diese Eigenschaften schon die erste wirkliche Feuerprobe nicht überstehen.
Und Dianas Kehrtwende von Haß zu Liebe für Achmed dürfte vielen
Lesern nicht nachvollziehbar sein. Zu plötzlich kommt diese
Erkenntnis ihrer Gefühle und würde heute eher an das
Stockholm-Syndrom denken lassen als an wirkliche Liebe. Denn warum
auch sollte Diana Achmed lieben - einen Mann, der sie entführt, demütigt,
sie körperlich wie seelisch mißbraucht und dabei keine Anzeichen
irgendwelcher positiven Regungen zeigt? Das Fazit für "Der
Scheich" lautet also: ein Roman, der sich durchaus noch mit
vielen zeitgenössischen Liebesromanen messen kann, aber in Punkten,
die Geschmacksache sind. So wird er nicht jedem Leser gefallen;
weniger, weil der Roman altmodisch wäre -das ist er überrraschenderweise
nicht-, sondern weil er nur bestimmte Vorlieben und Phantasien
bedient.
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