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Beastly
Harper, 2007; ISBN: 0060874186
Deutsche Übersetzung: Beastly
Baumhaus Verlag, 2010
Kategorie: Märchen/ moderne Interpretationen/für Jugendliche
Zeit: Gegenwart |
Kyle
Kingsbury ist ein amerikanischer Teenager mit dem perfekten Leben: Was
ihm Geld und Beziehungen seines reichen Vaters nicht verschaffen (und
das ist wenig), erreicht Kyle mit seinem guten Aussehen und seinem
Charme. Aber Kyle kann auch ganz uncharmant sein: zu seinen
Lehrern, den Hausangestellten und ganz besonders zu jenen Mitschülern
auf der noblen Privatschule Tuttle, die an Vermögen, Beziehungen und
Aussehen in seinen Augen zu den Verlierern zählen. Als die
Verkörperung all dieser Makel, seine Mitschülerin Kendra Hilferty,
es wagt, diese Einstellung zu kritisieren, zeigt Kyle seine ganz
besonders biestige Seite: Vermeintlich bekehrt, lädt er Kendra als
seine Begleitung auf den Schulball ein, um sie dann einfach
stehenzulassen und sich mit der Schulschönheit Sloane zu amüsieren.
Aber Kendra ist keineswegs blamiert, sie ist eine Hexe. Und weil Kyle
sich, wie von ihr erwartet, in dieser Prüfung als ein oberflächlicher Egoist erwiesen
hat, belegt Kendra ihn mit einem Fluch und paßt sein Aussehen seinem
Wesen an: Kyle wird zum Biest! Nur eine Möglichkeit hat Kendra
eingeräumt, um den Fluch zu brechen: wenn es Kyle gelingt, innerhalb
von zwei Jahren ein Mädchen zu finden, daß ihn trotz seines
Aussehens liebt und das auch er aufrichtig wiederlieben kann. Trotzig
versucht Kyle zunächst mit seinen üblichen Mitteln, sich aus dieser
Lage zu befreien. Doch weder der Einfluß seines Vaters, noch ein Chirurg oder eine Therapie können etwas für ihn tun.
Schließlich bleibt nur Verzweiflung, als er auch noch nach und nach
von allen Menschen verlassen wird, die für ihn eine Rolle spielten:
von Sloane, die sich angewidert abwendet, von seinen Freunden auf
Tuttle, die ihn bald vergessen haben, sogar von seinem Vater, der,
nicht minder oberflächlich als Kyle selbst, seinen Sohn sich selbst
und bezahltem Personal überläßt. Und basierend auf dieser Erfahrung, kann
Kyle nicht glauben, daß es doch noch einen
Menschen gibt, der sein ganz und gar unperfektes Ich jemals lieben
könnte...
Das
Märchen von der Schönen und dem Biest ist hinreichend bekannt und
wurde bereits zahlreich in unterschiedlichster Form erzählt und
interpretiert. Daher dürfte es auch hier zu Verlauf und Ausgang der
Geschichte keine Ungewißheiten geben. Dennoch gelang es Jugendbuchautorin Alex Flinn, in
Beastly einen neuen Ansatz zu finden. So läßt sie die Geschichte ganz
aus der Sicht des Biestes wiedergeben, was bei genauerer Überlegung
sogar ideal ist, denn immerhin ist eine Kernaussage des Märchens die
Wandlung eines oberflächlichen und kaltherzigen Wesens in einen
mitfühlenden und liebenswerten Menschen, und wer könnte diese
Entwicklung besser beschreiben, als das Biest selbst? Flinn bringt
dessen langsame Wandlung packend, über weite Passagen ganz subtil,
aber auch mit einem gelegentlich zum Vorschein kommenden Humor (man
lese nur die Gespräche der Verwandlungs-Selbsthilfegruppe im
Chatroom!) dem
Leser nahe. Wenn Kyle erst trotzt, dann wütet und hadert, sich
schließlich seiner Verzweiflung hingibt und nahe daran ist, alle
Hoffnung auf eine Rückwandlung aufzugeben und sich mit seinem Dasein
als Biest auf alle Zeiten abzufinden, dann kann sich auch der Leser
diesen Emotionen nicht völlig entziehen. Durch diese
Erzählperspektive erfährt man naturgemäß diesmal nicht so viel
über die "Schöne", die in dieser Fassung gar keine
Schönheit ist, sondern eines jener Mädchen, die der "alte"
Kyle in der Schule keines zweiten Blickes gewürdigt hatte. Der
inhaltliche Schwerpunkt liegt damit deutlich auf der männlichen Hauptfigur.
Einige Entwicklungen Kyles in seinem Leben als Biest sind bei einem
Teenager -der er ja trotz Verwandlung immer noch ist- eher fraglich
und wohl etwas schöngefärbt, die Sprache paßt stellenweise nicht zu
einem männlichen Erzähler. Überhaupt scheint der Roman zum Ende hin
doch etwas zu schwächeln, mit seinen rasanten Entwicklungen und
eingestreuten Erkenntnissen und Weisheiten. Überraschend auch, daß
die Autorin es bei dieser Neuinterpretation des Märchens
-anders als das bei Autoren und Filmemachern meist der Fall ist-
unterließ, einfach alles, ohne Ausnahme zu modernisieren. Zwar ist
die Geschichte der jugendlichen Leserschaft des 21. Jahrhunderts
angepaßt, die märchenhaften Elemente wie der Fluch, die Verwandlung
in ein haariges Biest, die Hexe und der Zauberspiegel aber
beibehalten. Obwohl Beastly auf dem französischen
Volksmärchen, seiner schriftlichen Fassung von Jeanne-Marie Leprince
de Beaumont (und in manchen Szenen offensichtlich auf Disneys
Zeichentrickfilmversion!) beruht, kann Flinn über den Großteil des
Buches dennoch den Eindruck eines eigenständigen, originellen Werkes
vermitteln. Für Kenner des Schöne-und-das-Biest-Stoffes wartet der
Roman zwar mit keinen großen Überraschungen auf, ist aber gelungen,
unterhaltsam und allemal eine Leseempfehlung.
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